Landrat in Erding 1945/46
Der in München geborene Alfred Riedl kam während des 1. Weltkriegs zur Erholung auf's Land zu Pflegeeltern. Der Ortspfarrer schickte den talentierten Jungen in die Klosterschule Schäftlarn. Anschließend besuchte er das Priesterseminar der Kapuziner in Burghausen. Wegen seiner unehelichen Geburt war ihm aber die Priesterlaufbahn verwehrt. Er ging nach München und nahm ein Jurastudium auf. Als Werkstudent bei Wacker Burghausen "lernte er Solidarität und gegenseitige Achtung unter den Arbeitern kennen". Diese Erfahrung politisierte ihn. Nach Auskunft seiner späteren Frau war er "überzeugter Linker, aber nie Mitglied irgendeiner Partei". 1932 wurde er von der Universität relegiert (ausgeschlossen) und war in den Folgejahren immer wieder arbeitslos.
1933 heiratete er Maria Högg, Schichtarbeiterin bei Siemens. Nach der Machtübergabe an die Nazis verfasste er zusammen mit anderen Flugblätter. 1936 flog die Gruppe auf. Alfred Riedl sagte aus, als einzelner gehandelt zu haben und schützte somit die Gruppe.
Es folgte eine halbjährige U-Haft. Im Dezember 1936 wurde er wegen. Vorbereitung zum Hochverrat zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. Zu diesem Zeitpunkt war der erste Sohn der Riedls zwei Jahre alt. Für Maria Riedl war die Verhaftung ihres Mannes eine Katastrophe: Frau eines Staatsfeindes und Zuchthäuslers. Wovon sollte sie leben?
"Als das Barbarentum die Straße beherrschte und auch das Reich der Kunst und des Geistes für sich beanspruchte, als gestiefelte Horden unter dem Hakenkreuz die Welt zertrampelten, da blieb für uns nur die Stille Stunde der Einkehr hinter geistigen Bunkerlinien, hinter Gefängnismauern, hinter Stacheldraht." (Riedl 1936)
In der Haft übersetzte er den Dichter Ovid.
Alfred Riedl war wegen seiner Verurteilung wehrunwürdig. Er schlug sich und seine Familie nach der Entlassung 1939 u.a. als Packer in einer Zigarettenfabrik, als Tankwart und mit ähnlichen Aushilfstätigkeiten notdürftig durch. Kurz vor Kriegsende sollte er doch noch zu einem Sprengstoff-Räumkommando eingezogen werden. Der zuständige Beamte war jedoch einsichtig und stellte die Einberufung zurück
Gemäß Verfügung der Amerikanischen Militärregierung vom 5. November 1945 wurde Dr. Alfred Riedl zum neuen Landrat des Landkreises Erding bestimmt. Seine Amtszeit beendete er am 3.Juni 1946, nachdem der Kreistag seinen Vorgänger Max Lehmer (CSU) zum Nachfolger gewählt hatte
Als Landrat in Erding "ist er konfrontiert mit all den Problemen, die aus der Ankunft schier endloser Flüchtlingsströme erwachsen. Mit dem Zwist, den die Beschlagnahmung von Wohnraum für ehemalige KZ-Häftlinge auslöst - darunter im Landkreis besonders viele polnische Juden. Anders als sein Vorgänger Lehmer hat er keine Bedenken, in diesem Punkt hart durchzugreifen" . Alfred Riedl geriet im Landkreis Erding schnell und gründlich in Vergessenheit. Warum wollte man sich an ihn nicht mehr erinnern?
"Hanebüchene Gerüchte, Halbwahrheiten und krasse Fehlinterpretationen der damaligen Ereignisse führten wohl dazu. dass Riedl aus der Geschichte des Landkreises bis auf Name, Unterschrift, Funktion und falsche Angaben seiner Dienstzeit erfolgreich getilgt wurde." S. Hermanski, U. Schwager in "Der vergessene Landrat", SZ, 8./9. 3.97)
Die weiteren Stationen Alfred Riedls in Stichpunkten:
- 1946 Stellv. Landrat in Schrobenhausen
- Leiter einer Spruchkammer in Ingolstadt
- Beendigung des Jurastudiums1950 Referendariat bei der Regierung von Oberbayern
- ab 1953 Landratsamt Memmingen
- Verwaltungsgericht Augsburg
- Richter am Verwaltungsgericht Bayreuth
- Präsident des Verwaltungsgerichtes Bayreuth
Alle nicht anders gekennzeichneten Zitate aus: S. Hermanski, U. Schwager in "Der vergessene Landrat", SZ, 8./9. 3.97)
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