Aktuell
Was hat eigentlich der im Landkreis Erding hoch geachtete Journalist und Heimatforscher, Eugen Press, während der Nazizeit gemacht? Schorsch Wiesmaier, einer der Initiatoren der Geschichtswerkstatt, hat genauer hingeschaut.
Presseartikel im Erdinger Anzeiger vom 8. Mai 2021
Ein Thema, an dem die Geschichtswerkstatt gerade arbeitet, betrifft die Zwangsarbeiter*innen in und um Dorfen. Einige Ergebnisse sind folgendem Artikel von Michaele Heske (Dorfener Anzeiger) zu entnehmen.
Presseartikel im Dorfener Anzeiger vom 7. Mai 2021
Der Tassilo-Preis ist ein Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung, der alle zwei Jahre verliehen wird.
Zum Artikel.
Was Frau Simmerl über Josef Martin Bauer (JMB) schreibt, entspricht dem, was in Dorfen die letzten Jahrzehnte hinweg über den Autor verbreitet wurde, auch in der Ausstellung über die NS-Zeit in Dorfen („Ein Dichter im Würgegriff“), und was u.a. zu seinen vielen Ehrungen und auch auch zu einer Straßenbenennung nach ihm führte bzw. diese nicht verhinderte. Woher kommen diese Geschichten? Sie sind nicht erfunden, sie basieren auf den Aussagen Bauers vor dem Spruchkammergericht. (Vor Spruchkammergerichten mussten sich nach der Befreiung 1945 NS-Belastete verantworten.) Das Problem ist, die Rechtfertigungen des Autors dort entsprechen nicht den Tatsachen.
Das ist nicht nur bei JMB so. Der Schriftsteller Ralph Giordano hat dazu geschrieben: „Die Entnazifizierung produzierte die scham- und hemmungsloseste Massenlüge, die es je in der deutschen Geschichte gegeben hat.“
Dass JMB vor 1933 Mitglied der Bayerischen Volkspartei war und im März 1933 in eine Auseinandersetzung mit der örtlichen NSDAP geriet, habe ich in meinem Aufsatz im „Mühlrad“ ausführlich beschrieben, auch deswegen, weil es sich dabei um den einzigen nachweisbaren Konflikt JMB mit dem NS-Regime zwischen 1933 und 1945 handelte. Die Gendarmerie in Dorfen beschrieb seine Entwicklung danach so: Er „hat sich sofort nach der Machtergreifung ... umgestellt und heute (1936) ist an seiner politischen Zuverlässigkeit nicht mehr zu zweifeln.“
Schon Ende 1933 freute sich Bauer über eine Würdigung im Völkischen Beobachter (VB), der ihm bestätigte, „Gedankengut in die Volksseele hineingetragen (zu haben), um Verständnis für das Erneuerungswerk Adolf Hitlers zu schaffen.“
Dass er 1937 gezwungen worden sei, in die NSDAP einzutreten, dafür gibt es keinen einzigen Beleg, nur seine eigene Behauptung.
Tatsächlich war es gar nicht so einfach, 1937 in die Partei aufgenommen zu werden. Es gab nämlich eine Mitgliedersperre. Sie wurde nur gelockert für „diejenigen Volksgenossen, die durch ihre nationalsozialistische Haltung und Betätigung ...sich eine Anwartschaft auf Aufnahme in die NSDAP erworben haben.“
Dass JMB, wie Frau Simmerl schreibt, „sich zum Militär meldete, um dem politischen Druck auszuweichen“, widerspricht dem tatsächlichen Vorgang, entspricht aber beinahe wörtlich der Aussage Bauers im Spruchkammerverfahren. „Die Soldaten (waren) der einzige anständige Haufen, bei denen man noch ein Mann und ein Mensch sein durfte“, führte Bauer dort aus.
Nur: Er wollte weder eingezogen werden, noch einfach Soldat sein.
Beides lässt sich anhand von Dokumenten aus dem Bundesarchiv in Berlin belegen. „Mein Mann fühlt sich so gar nicht wohl als Soldat III. Klasse“, so seine Frau in einem Schreiben an Bauers Verleger. Er wollte als Schriftsteller unbedingt in eine Propagandakompanie. Um dies zu erreichen, wandte er sich an das Propagandaministerium, empört reagierte er auf einen ersten ablehnenden Bescheid und erreichte schließlich doch noch sein Ziel, in eine NS-Propagandakompanie aufgenommen zu werden. Als NS-Propagandist schrieb er dann u.a. vier Kriegstagebücher.
JMB behauptete auch, den mit 10 000 RM dotierten Preis für das „Bäuerliche Schrifttum“ habe er „trotz Einspruchs des Propagandaministers“ erhalten. Goebbels stimmte der Preisverleihung an Bauer aber ausdrücklich zu, wie es in einem Schreiben an die Reichsschrifttumskammer nachzulesen ist.
Ich belasse es bei diesen paar Gegenüberstellungen von Aussagen JMB vor der Spruchkammer und den Tatsachen.
Ich könnte sie seitenweise fortsetzen.
Dass er schließlich als Mitläufer eingestuft wurde, sagt wenig über seine Aktivitäten während der NS-Zeit aus.
Der Schriftsteller Niklas Frank, Sohn des in Nürnberg hingerichteten NS-Verbrechers Hans Frank, hat nach fünfjähriger Beschäftigung mit Entnazifizierungsakten geschrieben: „Die Entnazifizierung war ein Fehlschlag. Es wurde in großem Stil gelogen, verfälscht, verharmlost, um Verständnis und Mitleid gebettelt, um sich selbst und andere zu entlasten.“
Noch eine Bemerkung am Schluss: Ich habe mich mit dem Verhalten JMB während der NS-Zeit nicht zuletzt deswegen beschäftigt, weil mir vieles, was ich in Dorfen über ihn gehört und gelesen habe, unglaubwürdig erschien. Offensichtlich nur von dem Interesse geleitet, den Autor in gutem Licht erscheinen zu lassen, bis hin zu der grotesken Behauptung, JMB sei ständig mit der Einlieferung in ein KZ bedroht gewesen. Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn endlich Tatsachen über die Haltung JMB während der NS-Zeit zur Kenntnis genommen würden, auch wenn das schmerzlich sein mag. Und nicht weiter seine Rechtfertigungen vor der Spruchkammer verbreitet würden. Dann ließe sich sachlich über Leben und Werk des Schriftstellers streiten.
Vielleicht mag sich die eine oder der andere näher mit Josef Martin Bauer befassen. Mein Text über ihn steht seit ein paar Tagen auf der Homepage der Geschichtswerkstatt Dorfen (https://geschichtswerkstatt-dorfen.de/78-ueberzeugungstaeter-oder-mitlaeufer-josef-martin-bauers-rolle-im-dritten-reich-eine-neubewertung) Dort ist auch die von Frau Simmerl beschriebene Episode über Bauers Konflikt mit den Nazis - vom März 1933 - ausführlich dokumentiert.
Schorsch Wiesmaier
Oberdorfen
Wir veröffentlichen hier einen Text über Josef Martin Bauer, den Schorsch Wiesmaier für das Mühlrad 61 (2019), das Jahrbuch des Geschichtsvereins Heimatbund Mühldorf geschrieben hat. Er umfasst 46 Seiten.
Aus Josef Martin Bauers Feder stammt der Welterfolg „So weit die Füße tragen“ mit zwei Millionen verkauften Exemplaren. Er ist einer der berühmtesten Söhne der Stadt Dorfen - und zugleich einer der umstrittensten.
Presseartikel im Münchner Merkur vom 11.März 2021: Mehr als ein Nutznießer der Nazis
Der Historiker Giulio Salvati forscht intensiv zur NS-Zeit in der Stadt und dem Landkreis Erding. Ein Gespräch über den bemerkenswerten Streit zuletzt in Dorfen, andere Blickwinkel und neue Möglichkeiten in der Lokalgeschichte.
Presseartikel in der SZ vom 20.11.2020: "Wem gilt unsere Empathie?"
Presseartikel in der SZ vom 6.11.2020: Streitende Lokalhistoriker
„Das Kriegsende in Dorfen 1945“, Ein neuer Bericht von Franz Streibl
Vorbemerkungen und Würdigung:
Gut, wenn die Zeit um das Kriegsende überhaupt erinnert wird und ins Gespräch kommt. Der Autor zeigt in seiner Vorbemerkung das Bewusstsein für die Erinnerungen eines so jungen Kindes, das erst am Ende der im Fokus stehenden Zeit eingeschult wurde.
75 Jahre und mehr in die eigenen Erinnerungen zurückzugehen ist zudem eine sehr lange Zeit. Wer über Jahrzehnte in sein Leben zurückblickt, weiß, dass die Unterscheidung zwischen real Erlebtem und Erzählten sich überlagern kann. Auch sind Erinnerungen von Haus aus subjektiv – das gleiche Erlebnis wird von verschiedenen Augenzeugen manchmal völlig anders erinnert. Für den geschichtlich Interessierten bedeutet das: die Überprüfung der Erinnerungen sind unentbehrlich, will man sie mit historischer Relevanz weitergeben.
Franz Streibl beabsichtigt, wie er schreibt, „die Ereignisse von damals für die Nachwelt fest(zu)halten - und hier setzen unsere Fragen an.
Fragen:
Der Text ist eine Zusammenstellung von eigenen Kindheitserinnerungen während bis deutlich nach Kriegsende, von Erinnerungen anderer (wie der Autor selbst schreibt: „im Wirtshaus gehörte Geschichten“), von Vermutungen (kaum Nazis in Dorfen, nur Hitlerjungen aus dem Ruhrgebiet…), späteren Informationen (Chronik zum militärischen Geschehen um Dorfen) und auch Entdeckungen der letzten Jahre (Bemerkungen zu den DPs). Für einen Historischen Kreis mit dem Anspruch gesicherter Erkenntnisse wäre eine Unterscheidung von Erinnerungen und Ereignissen zu erwarten. Erinnerungen gehören als solche benannt, um sie dann mit dem heutigen Wissen zu verifizieren und zu reflektieren. Wenn dies nicht geschieht, wirkt ein solcher Text wie die vermeintlich reale Geschichte, und die Gefahr ist nah, in eine – wenn auch ungewollte - Verharmlosung der Geschehnisse zu schlittern. Dazu Beispiele:
- Kriegsgefangene
„Es gibt Fotos von Franzosen, die sich stolz hinter dem Pflug…präsentieren. Offensichtlich kam man gut miteinander aus“. Sicher gab es Bauern, die die Kriegsgefangenen anständig behandelt haben – aber es gab auch sehr schlimme Misshandlungen, und um Ausbeutung handelte es sich ja immer. Denn die zugrunde liegende Situation war ja, dass diese Menschen gezwungenermaßen für das Land zu arbeiten hatten, das ihr eigenes überfallen hatte, sie aus ihrem Leben herausgerissen und unendliches Leid über die eigene Landsleute und Familien gebracht hatte… „sie machten sich nützlich?“ Stolz hinter dem deutschen Pflug?
„Ärger gab es nur bei deutsch-französischen Liebesbeziehungen“ schreibt Streibl. Abgesehen davon, dass „Ärger“ in diesem Zusammenhang ein ziemlich ungeeigneter Begriff ist, mussten doch die Menschen, auch Kinder, oft bis zur Erschöpfung arbeiten und hatten keinerlei Rechtsschutz, wenn sie geschlagen wurden: die brutale Realität damals zeigte sich tatsächlich im Umgang mit Liebesbeziehungen zwischen Kriegsgefangenen und deutschen Mädchen und Frauen: viele Dorfener haben 1942 zugeschaut, wie ein kahlgeschorenes, schwangeres Mädchen aus der näheren Umgebung mit lauten Beschimpfungen („Speit sie an, die Sau!“), behängt mit einem entsprechenden Schild, durch Dorfen getrieben wurde. Sie saß dann eineinhalb Jahre im Gefängnis. Über das weitere Schicksal des Franzosen wissen wir in diesem Fall nichts, von vergleichbaren Fällen wissen wir, dass die Männer genau dafür umgebracht wurden.
- Zwangsarbeiter*innen
Zum Teil handelte es sich bei den erwähnten Kriegsgefangenen um Zwangsarbeiter, z.B. waren Hunderte von ihnen in der Fa. Meindl beschäftigt. Sie waren nie Soldaten, sie wurden als Zivilisten aus ihrer Heimat in Polen, der Ukraine, Russland … viele tausend Kilometer entfernt nach Deutschland verschleppt, um ihre Kräfte hier auszubeuten, oft am Existenzminimum und darunter lebend. Zudem in Deutschland völlig rechtlos (während für Kriegsgefangene wenigstens noch das Militärrecht galt).
Kann man heute von ihnen sprechen, ohne ihre Perspektive wahrzunehmen? Ihre Entführung, Entrechtung, medizinische Unterversorgung, erzwungene Arbeit bei lächerlichem Lohn?
- DPs in Dorfen, im speziellen jüdische DPs
waren bis ins Jahr 2011 ein völlig unbekanntes Kapitel in Dorfen. Dass es eine jüdische Blumengartenschule in Dorfen gegeben haben soll, wurde zu Anfang des besagten Jahres vom Historischen Kreis ausdrücklich verneint (Kommentar zu einem Foto, das eine Vermutung dazu nahelegte: „Das ist nicht unser Dorfen, sowas gab es hier nicht“). Dass die Blumengartenschule eine eigene jüdische Organisation war, und die Mehrheit der DPs in Privathäusern einquartierte Juden waren, dass der Jakobmayer Sitz des jüdischen Komitees und kultureller Treffpunkt war, hat sich erst durch die im Sommer 2011 entdeckten Wandzeichnungen und die Forschungen von Dorfen-ist-bunt gezeigt. Hier kann es also nicht um Erinnerungen gehen. Nur: was hier über DPs berichtet wird, bildet die heute bekannte Wirklichkeit nicht realitätsgemäß ab: die DPs „tauchten in Dorfen auf“ – als „Fremdarbeiter“, aus dem Osten geflohen... Kein Wort, dass unter ihnen viele KZ- Überlebende waren, die gerade übelster Folter und Tod entkommen waren, oft waren Ehepartner und Kinder ermordet worden, und andere überlebten nur, weil sie sich jahrelang versteckt hielten. Kein Wort, dass ihre Entwurzelung und Heimatlosigkeit die Folge der deutschen Kriegsführung und Rassenideologie war. Die Juden „siedelten sich…in Dorfen an“: klingt freiwillig und auch besitzergreifend, war es aber nicht: die Shoa-Überlebenden hatten schlicht keine andere Wahl als in Deutschland abzuwarten, bis sie in ein anderes Land ausreisen konnten. Dies wurde erst ab Mai 1948 mit der Staatsgründung Israels und der Grenzöffnung anderer Länder möglich. Man könnte genaueres mit entsprechenden Belegen in der Veröffentlichung von Dorfen ist bunt lesen. (Wie kam der Davidstern in den Jakobmayer? )
Wenn es um einen „Bericht für die Nachwelt“ geht, sollten Tatsachen und Zusammenhänge stimmig wiedergegeben sein. Auf dem Hintergrund des unermesslichen Unrechts und Leids hinterlässt dann die Geschichte über den DP-Käufer, der meinte, man enthielte ihm die verlangte Ware vor, obwohl sie wirklich nicht vorrätig war, mehr als einen schalen Geschmack. Als einzige Geschichte überhaupt zu DPs verunklart sie das Verhältnis von Opfern und Täter: wäre da nicht eher Verständnis, ja Scham angebracht, dass ein Mensch, dem jede Würde vorenthalten war, nun der Redlichkeit des Verkäufers nicht trauen kann?
„Das Elend erreichte seinen traurigen Höhepunkt….
… als die Flüchtlinge kamen“ – wirklich – war das der Höhepunkt des Elends?
Kann man so reden 75 Jahre nach Beendigung eines Kriegs, der maßloses Unglück über unvorstellbar viele Menschen gebracht und unvorstellbare Verwüstungen angerichtet hat?
Macht es nicht einen Unterschied, ob ein solcher Aufsatz eines Vorstandsmitglieds des Historischen Kreises unter „persönlichen Erinnerungen etc“ eingeordnet oder aber unkommentiert als „Bericht“ auf die Homepage eines Historischen Kreises gestellt wird?
75 Jahre nach Kriegsende braucht es u. M. nach ein Bemühen, Vorgänge historisch zu belegen und zu beurteilen – also eine verantwortete Weitergabe unserer Geschichte.
"Erinnerungen sind nicht statisch; sie ändern sich mit der Zeit, manchmal so sehr, dass sie nur noch entfernte Ähnlichkeit mit dem haben, was sich tatsächlich ereignet hat."
aus: "Ihr sollt wissen, dass wir noch da sind" von Esther Safran Foer, Köln, 2020, S.12
Artikel im Dorfener Anzeiger vom 21.10.2020
Eine Initiative der Geschichtswerkstatt Dorfen unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Heinz Grundner
In Dorfen rollten am 1. Mai 1945 um 20.00 Uhr amerikanische Panzer ein. Nach nächtlichen Gefechten wurde am 2. Mai um 10.00 Uhr der Markt übergeben. Dorfen war befreit.
Wir laden alle Dorfener Bürgerinnen und Bürger dazu ein, durch das Hissen von weißen Fahnen oder das Heraushängen von weißen Tüchern vom 2. Mai 2020 bis 8. Mai 2020 an den Tag der Befreiung Dorfens zu erinnern.
Die Stadt Dorfen und die Geschichtswerkstatt Dorfen stellen in begrenzter Anzahl weiße Fahnen im Format 0,8mx1,5m zur Verfügung.
Die Fahnen können solange der Vorrat reicht in der Dorfener Buchhandlung abgeholt werden.
„Ihr werdet die Deutschen immer wieder daran erkennen können, ob sie den 8. Mai als Tag der Niederlage oder Befreiung bezeichnen.“ (Heinrich Böll)
75 Jahre – Tag der Befreiung - weiße Fahnen für Frieden und Freiheit
Unter diesem Motto wird in München unter der Schirmherrschaft des Münchener Oberbürgermeisters Dieter Reiter vom 30. April 2020 bis zum 8. Mai 2020 an den Tag der Befreiung vom Nazi-Regime erinnert. Dies geschieht vor allem durch das Hissen von weißen Fahnen am Rathaus aber auch an vielen anderen öffentlichen Gebäuden. Darüberhinaus sind die Bürgerinnen und Bürger der Stadt eingeladen aus den Fenstern ihrer Wohnungen und Häuser weiße Fahnen zu hängen.
Die Geschichtswerkstatt Dorfen hat diese Idee aufgegriffen und dafür geworben, auch in Dorfen an den Tag der Befreiung zu erinnern.
Warum?
Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht. Die Alliierten beendeten mit dem Sieg über Deutschland eine zwölf Jahre währende Herrschaft des Schreckens, der Millionen Menschen zum Opfer fielen. Allein sechs Millionen Jüdinnen und Juden wurden umgebracht.
Der 8. Mai 1945 war der Tag des Zusammenbruchs und der Niederlage für alle Aktivisten, Anhängerinnen und Anhänger und Profiteure des verbrecherischen NS-Regimes.
Der 8. Mai 1945 war der Tag Befreiung für alle vom NS-Regime Verfolgten, für KZ-Häftlinge, für Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter, für Kriegsgefangene, für alle Gegnerinnen und Gegner der Nazis.
In Dorfen rollten am 1. Mai 1945 um 20.00 Uhr amerikanische Panzer ein. Nach nächtlichen Gefechten wurde am 2. Mai um 10.00 Uhr der Markt übergeben. Dorfen war befreit.
Dorfen war befreit von den örtlichen Funktionären des NS-Regimes. So wurde u.a. der Bürgermeister und NS-Ortsgruppenführer Georg Erhard verhaftet und für über zwei Jahre im ehemaligen Kriegsgefangenlager Moosburg interniert.
Die Nazi-Gegner, die es in Dorfen auch gab, konnten aufatmen. Sie waren nicht länger von einer Einweisung in das KZ Dachau bedroht. Einige Dorfener wurden dort die Jahre zuvor interniert und mussten fürchterliche Qualen erleiden.
Die Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter kamen frei. Über 90 waren allein bei der Firma Meindl beschäftigt.
Das Ende der Naziherrschaft haben wir den Alliierten zu verdanken. Aber auch der Anteil der antifaschistischen Kämpferinnen und Kämpfer aus Deutschland und vielen anderen Ländern, die Ihr Leben auf’s Spiel setzten und es vielfach auch verloren, soll nicht vergessen sein.
Dass durch die Niederlage Deutschlands ein friedlicher Neubeginn ohne Diktatur möglich wurde, daran wollen wir in Dorfen am 2. Mai erinnern.
Wir sollten aber nicht vergessen, wie sich rechter Terror in den letzten Jahren verbreitet hat. Seit 1990 fielen ihm über 200 Menschen zum Opfer.
Und wir sollten auch nicht vergessen, dass in den letzten Jahren Kräfte wieder erstarkt sind, die die NS-Zeit verharmlosen und „Hitler und die Nazis“ als „Vogelschiss in unserer über 1000-jährigen Geschichte“ bezeichnen oder
eine erinnerungspolitische Wende um 180° fordern.
„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ (Bert Brecht).
Deswegen wollen wir nicht nur an die Befreiung vom Mai 1945 erinnern, sondern gerade jetzt zu Zeiten von Corona ein Zeichen setzen gegen jegliche Form von Ausgrenzung und Diskriminierung. Wir treten ein für eine solidarische Gesellschaft für alle Menschen.
Presseartikel in der SZ vom 24.4.2020: Weiße Fahnen für Frieden und Freiheit
Ein Bericht aus der Gemeinde Fraunberg, geschrieben von Herdana von Fraunberg: Ein Zeichen setzen – 75 Jahre- Tag der Befreiung